Geschichten\Das 'Wolfi-Loch'
Es gibt Leute, die dermaßen von der Richtigkeit ihres Machens überzeugt sind, dass sie wieder und wieder gleiches machen, davon ausgehend "es kann nicht sein was nicht sein darf".
In der nun folgenden Geschichte möchte ich eine Begebenheit erzählen die zeigt, dass diese Sturheit in der freien Natur zu grotesken und peinlichen Situationen führen kann.

Wir sind drei Kollegen, Wolfi, Andy und ich, die es sich ab und zu mal leisten, ein verlängertes Wochenende zu nutzen, eine Angeltour in das benachbarte Ungarn zu unternehmen.
So auch wieder im Herbst 2001, als wir am frühen Morgen bei unserer Ankunft an dem kleinen See, nahe der serbischen Grenze, bereits von strömendem Regen empfangen wurden (dank unseres Regenmachers, aber das ist eine andere Geschichte).

Leider hatten auch andere Angler die Idee gehabt hier und an diesem Wochenende fischen zu wollen. Die besten Zeltplätze waren natürlich weg. Trockenen Hauptes beobachteten sie uns milde lächelnd aus ihren bereits am Vortag aufgestellten Zelten heraus, wie wir uns abmühten einen annehmbaren Zeltplatz zu finden.

Nach längerem hin und her einigten wir uns auf eine etwas buckelige Fläche am Waldrand, die kaum Platz für unser 8-Mann(!) Zelt bot. Wir säuberten den Platz noch von Steinen und Ästen.
Über das aufstellen eines Zeltes dieser Größe und noch dazu bei anhaltendem Regen sage ich hier lieber nichts.

Als wir es endlich geschafft hatten, setzten wir uns unter das Vordach und sondierten zuerst mal die Lage mit je einem Bierchen in der Hand. Lange saßen wir aber nicht herum. Nass waren wir ohnehin und so gingen wir zum Seeufer und bereiteten die Angelplätze vor.
Zwischen uns und dem Seeufer war zuerst, gleich nach dem Zeltvordach, eine 2 Quadratmeter große schlammige breiige Pfütze, dann ein kleiner, jetzt Wasserführender Graben mit knapp einem Meter Breite. Wenn man diese Hindernisse überwunden hatte, stand man auf dem Angeschotterten Fahrweg. Weiter ging's dann durch ein kniehohes Binsenbewachsenes Fleckchen von etwa 20 Quadratmeter, das man allerdings links und rechts umgehen konnte.

Sobald man auch dieses geschafft hatte, war man endlich am Seeufer, wo es "Brettleben" und angenehm zu sitzen war.
Inzwischen war es fast Mittag geworden, der Regen hatte nachgelassen und es war Zeit für eine Kaffeepause. Ich ging also zurück, aktivierte den Gaskocher und holte unseren Wasserkanister. Andy und Wolfi fachsimpelten noch am Ufer, aber in Rufweite.

Der Kaffee war bald fertig und ich rief es den beiden zu. Sie kamen auch gleich angetrabt. Andy umging die noch nassen Binsen, Wolfi aber stapfte schnurgerade durch und machte uns aufmerksam dass hier inmitten der Binsen ein fast knietiefes Wasserloch sei, das vielleicht von Bisamratten oder vom Schäferhund der dem Besitzer des nahen Gasthauses gehörte gegraben worden war, und stieg auch mit einem großen Schritt drüber.

Nachdem wir uns gestärkt hatten und die nassen Schuhe gegen ein trockenes Paar getauscht hatten, packten wir endlich unsere Ausrüstung und gingen jeder zu seinem ausgesuchten Angelplatz. Andy links und ich rechts von der Binseninsel, Wolfi ging aber wieder geradeaus auf seinen Platz zu und als er mitten in den Binsen war ging's "splash". Zumindest einer seiner frisch angezogenen Schuhe war nun ebenfalls nass.

Andy und ich konnten und das Grinsen nicht verkneifen, hatte doch Wolfi selbst uns vor dem Loch gewarnt.

Der Nachmittag fing, was das Angeln betraf, gut an. Wir konnten in kurzer Zeit einige 2-stellige (Kg) Karpfen landen.
Nun, die Anstrengungen verlangten nach einer deftigen Jause. Andy und ich gingen zum Zeltplatz und suchten das nötige Geschirr zusammen. Andy stellte seinen praktischen Klapptisch auf und mit einigem Speck und ein paar Eier war im nu eine kräftigende Mahlzeit fertig. Außerdem hatte man damit auch eine "Unterlage" im Magen, denn um die Menge Bier, das wir dank Wolfi mithatten, aufzubrauchen, mussten wir uns ranhalten.

Wir riefen Wolfi zu, dass er endlich kommen solle, da das Essen sonst kalt werden würde.
Er stand auf, kam auf uns zu und versicherte uns, dass die ganze Gegend nach gebratenem Speck roch. Er ging auch wie vorher mitten durch die Binsen und "splash". Andy und ich sahen uns an und konnten es einfach nicht glauben, er wusste doch von diesem Loch.

Wir fragten Wolfi ob er dies mit Absicht machte, da beide Paar Schuhe sowieso nass waren.
Er antwortete uns nur, dass wir nicht meckern sollten!

Nach dem Essen machte Wolfi ein Lagerfeuer um unser aller Zeugs endlich einigermaßen trocken zu kriegen, trotz des Regens der nie völlig nachließ. Eines aber musste man unserem Freund und Kollegen Wolfi lassen. Feuer machte er tatsächlich mit jedem Holz und sei es noch so feucht, hier kann sonst keiner mit, von denen die ich kenne.

Die neidischen Blicke der benachbarten Angler ob unseres lodernden Feuers quittierten diesmal wir mit einem mildem, je nach Entfernung auch sehr breitem, lächeln.

Da wir elektronische Bissanzeiger verwendeten, konnten wir es uns leisten, neben dem angenehm warmen Feuer zuzuwarten bis einer einen Anbiss meldete. Aufgrund der Wetterlage und des doch etwas größeren Abstandes vom Zeltplatz zum See hatten wir uns entschlossen als Köder Boillies mit Selbsthaksystem zu verwenden. So war unnötige Hektik, laufen, nicht notwendig.
Die Tonhöhe der Bissanzeiger hatten wir natürlich abweichend voneinander eingestellt, somit wusste jeder wo ein Fisch gerade angebissen hatte.

Andys Bissanzeiger meldete sich plötzlich, er sprintete los (Kunststück, als jüngster von uns) und schon wenige Sekunden später drillte er schon einen Kapitalen. Er rief uns zu, dass einer keschern helfen kommen solle. Ich ging schnell rüber zu Andy und wartete mit dem Kescher in den Händen einen günstigen Moment zum Landen ab.

Jetzt piepste auch der Anzeiger von Wolfi und schon war er auf den Füßen und ging schnellen Schrittes geradeaus auf seine Ruten zu... "splash" - "Sch...!!!".

Andy hatte Mühe die Angelrute vor lachen ruhig zu halten und ich selbst hatte Tränen in den Augen! Wir sahen die Angelegenheit jetzt als bedenklich an und beschlossen daher, Wolfi lieber nicht mehr aus den Augen zu lassen.

Der Nachmittag verlief dann ruhig und wir hatten Zeit, um unsere Gerätschaften zu pflegen und zu trocknen. Vor allem Wolfis beide Paar Schuhe, die auf kräftigen Haselzweigen gesteckt schräg in Richtung Feuer hingen, nicht zu nah, aber sie dampften trotzdem deutlich sichtbar.

So verging, bei Erzählungen und regelmäßiger flüssiger Nahrungsaufnahme, auch der Abend und es wurde bald stockdunkel und still in der Gegend.

Bevor wir uns aber ins Zelt verkrochen, mussten noch die Ruten eingeholt und das Feuer gelöscht werden, da keiner von uns daran interessiert war, bei einem eventuellen Anbiss in stockdunkler Nacht aus dem Schlafsack raus und durch die Landschaft zu stolpern.

Wolfi nahm sich die trockeneren Schuhe und ging als erster los und verschwand in der Dunkelheit - auf unsere Unkenrufe und gut gemeinten Ratschläge reagierte er nicht. Nach wenigen Sekunden tauchte er jedoch wieder auf und nahm jetzt doch eine der Taschenlampen an sich. "Dass nichts zu meckern habt", sagte er und war schon wieder weg. Wir beobachteten den Lichtkegel der Lampe der ruhig in Richtung Seeufer wanderte.

Plötzlich beschrieb der Lichtkegel einen großen, die ganze Gegend umfassenden Halbkreis und man hörte "splash" Sch... Lampe, mit der sieht man ja nichts, ohne wäre ich sicher nicht reingestiegen!

Nun war es aber mit der Ruhe vorbei. Lachen ohne Ende, die Bierchen erleichterten dies natürlich noch. Überflüssigerweise fragten wir auch: "Bist Du ins Loch gestiegen?" und "Trotz der Taschenlampe und der schon fast trocken gewordenen Schuhe?".

Mehr sagten wir aber nicht, denn unser Wolfi war ein kräftiger Junge ;-))

Ich entschloss mich aufgrund dieses bedenklich stimmenden Vorfalls am nächsten Morgen etwas zu unternehmen um weitere "Reinfälle" zu verhindern, denn ich wusste, ansonsten würde sich nichts ändern.
Da ich mich zum Frühstück machen eingeteilt hatte, kroch ich am nächsten Morgen auch als Erster aus dem Zelt und stellte Kaffeewasser auf.

Die von uns über Nacht beiseite geschobenen großen Holzstücke des Lagerfeuers schob ich wieder zurück in die mitte der Feuerstelle und mit einigen Kohleanzündern brachte ich wieder ein kleines Feuer in Gang. Ich erinnerte mich was ich mir am Abend zuvor aufgetragen hatte und kam zu dem Schluss, dass die beste Lösung zugleich auch die einfachste wäre.

Also schnitt ich mir einen gut daumendicken Haselnussstecken zurecht und längte ihn auf Mannshöhe ab. Diesen Stecken spitzte ich einseitig zu und rammte ihn mitten in das Loch in das unser Wolfi ständig trat. Die Oberseite spaltete ich mittig etwas auf und klemmte einen quadratischen etwa 25cm großen Pappkarton in den Spalt auf dem geschrieben stand "WOLFI-LOCH".

Somit hatte ich dieses Loch also offiziell getauft und markiert, sodass niemand mehr in das Loch steigen konnte ohne die Stange unmittelbar vorm Auge zu haben und konnte nicht mehr übersehen werden.
Meinen Kollegen sagte ich nichts davon, als sie, durch den Kaffeegeruch angelockt, langsam aus dem Zelt gekrochen kamen. Nach dem Frühstück gingen wir zu den Angelruten um die Köder neu einzuwerfen.

Andy sah mit großen Augen plötzlich die von mir aufgestellte Warntafel zeitgleich mit Wolfi, der keine 20cm mehr davor stand und nur "Heeh" herausbrachte.

Meine Rechnung ging also auf, Problem erkannt und beseitigt. Innerlich klopfte ich mir auf die Schultern. Nach nunmehr fast 2 Jahren wurde uns von anderen Anglerkollegen, die den See ebenfalls kennen bestätigt, dass meine damals angefertigte Warntafel noch immer am gleichen Platz steckt und seither auch niemand in das Loch reingestiegen wäre.

Petri Heil!

Franz P.
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